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Gedanken und Fakten zur Bevölkerungsentwicklung in Ostpreußen

Der Anteil der Prußen (Pruzzen) am sich bildenden Neustamm der Preußen

Mich beschäftigt schon seit einiger Zeit die Frage, wie viele Zuwanderer aus Litauen und Masowien in Ostpreußen im Rahmen des Retablissements bis 1740 angesiedelt wurden.

Bei Dollinger liest sich das so: „Ganz besonders muss aber auf sein großzügiges Siedlungswerk nach den Pestjahren in Ostpreußen hingewiesen werden, das zentral vom Staat gelenkt wurde. Dabei ließ der König Siedlungswillige aus der Pfalz und Nassau, 2.000 Schweizer und 17000 wegen ihres Glaubens aus Salzburg vertriebene Protestanten in Ostpreußen einwandern. Dadurch wuchs die ostpreußische Bevölkerung zwischen 1713 und 1740 um 160.000 Menschen auf rund 600.000 Einwohner an. Die Bevölkerung Ostpreußens wuchs nicht zuletzt aufgrund der persönlichen Bindung an ihren fürstlichen Gönner aus Deutschen verschiedener Stämme und Ausländern, auch Litauern, zu einer Staatsgemeinschaft zusammen.

Gause ist der Ansicht, dass der Anteil des litauischen und masowischen Elements am preußischen Stamm sich zahlenmäßig nicht feststellen lasse. Jedenfalls war er nicht gering. Litauischen Ursprungs sind die vielen Namen auf –kat, kies, eit, at, is, us (Kukat, Budskies, Lenkeit, Szameitat, Jaguttis und Stantus seien als Beispiele genannt). Masurisch sind die Namen auf –ski, ek (Kowalski, Ziemek), ak (Nowak) und a (Kurella, Slomka, Skwarra, Warda).

Wenn man den litauischen und masurischen Anteil am preußischen Stamm zumindest grob errechnen will, bietet sich die Beschäftigung mit den Prußen und danach mit den eingewanderten Kolonisten, für die Schätz- bzw. Literaturwerte vorliegen, an.

Im 13. Jahrhundert lebten die Prußen in den volkreichen Gauen Pomesanien, Pogesanien, Warmien (Ermland), Barten, Natangen und Samland von der Weichsel bis zum Kurischen Haff, denen die großen, aber weniger dicht besiedelten Gaue Sassen, Galinden, Sudauen, Nadrauen und Schalauen im weiten Bogen vom Südosten bis Nordosten vorgelagert waren. Im Gau Samland lebte ein überproportional großer Teil der prußischen Gesamtbevölkerung.

Prußen Pruzzen Preußen

Abb. 1: Die prußischen Gaue zur frühen Ordenszeit (13. Jh.)

Die Prußen wurden ab 1231 vom Deutschen Orden zwangschristianisiert. Als mit der Unterwerfung des letzten Prußen-Stamms der Sudauer 1283 ein über 50 Jahre dauernder Landnahmekrieg zu Ende geht, heißt das Land Preußen, an dessen Ost- und Südgrenze eine Wildnis entstanden ist. Gause führt aus, dass im Verlauf der Kämpfe die Grenzgaue Nadrauen, Schalauen und Sudauen fast menschenleer wurden. Die Reste der Schalauer wurden in Dörfern bei Tilsit und Ragnit angesetzt. Die überlebenden Sudauer wurden, soweit sie sich nicht nach Litauen abgesetzt hatten, vom Deutschen Orden in das Samland umgesiedelt. Das Gebiet war noch lange als „Sudauerwinkel“ bekannt.

Die große Welle der Einwanderung deutscher Kolonisten verebbte schon um 1320 (Gause). Die Besiedlung wurde dann mit den Kindern der Einwanderer als „Binnenkolonisation“ fortgeführt. Als der Deutsche Orden die Niederlage von Tannenberg 1410 erlitt, hatte sie den Rand der Wildnis erreicht.

Laut „Territorien-Ploetz“ wurden zur Besiedlung der Wildnis an der Ost- und Südgrenze Siedler von jenseits der Grenze herangezogen. Masuren (aus Masowien) sind in geringer Zahl bereits seit dem 14. Jahrhundert eingewandert , vereinzelt auch Litauer und Ruthenen. Nach 1466 (dem Jahr des 2. Thorner Friedens) wird die Einwanderung von Masuren und Litauern stärker und schwillt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts besonders an. Masuren werden nicht nur als Bauern , sondern auch als Gutsbesitzer angesetzt, dringen auch in die Städte ein; Litauer sind fast ausschließlich Bauern. Der Süden des Landes spricht seit dem 16. Jahrhundert überwiegend masurisch(„Masuren“), der Nordosten litauisch („Preußisch-Litauen“).

Nun zu den Literaturangaben über die Prußen:

Von Krockow spricht von „etwa 150.000 bis 170.000 Prußen, die es um 1230 zwischen Weichsel und Memel gab“. Boockmann verweist auf die neueste Schätzung der Bevölkerungszahlen zum Zeitpunkt der Eroberung des Landes durch den Deutschen Orden und nimmt für Preußen und das Kulmer Land 220.000 Menschen an. Higounet führt aus, dass „die Bevölkerung Preußens zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf 170.000 geschätzt wurde“. Boockmann schreibt auch: „Die Bevölkerungszahlen, die genannt werden, beruhen unvermeidlich auf Schätzungen. Solchen Schätzungen zufolge betrug die Bevölkerung Preußens vor Beginn der Eroberung des Landes durch den Deutschen Orden 140.000 Köpfe. Um 1400 dürfte die prußische Bevölkerung im Ordensstaat ebenso stark gewesen sein – zu ihr kamen etwa 103.000 Deutsche und gegen 27.000 Polen, vor allem im Kulmer Land. Das würde für die prußische Bevölkerung bedeuten, dass die Verluste aus der Eroberungszeit wieder ausgeglichen waren“.

Laut Schumacher hat der Orden die eingeborene prußische Bevölkerung seines Landes weder „ausgerottet“, noch planmäßig „germanisiert“. Gegen den Versuch einer Ausrottung , auch wenn er beabsichtigt gewesen wäre, hätten schon die einfachsten Erwägungen der

Zweckmäßigkeit gesprochen. Da die Besiedlung des Landes mit deutschen Bauern erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts einsetzte und auch noch nach 100 Jahren noch nicht abgeschlossen war, hätte es dem Orden im ersten halben Jahrhundert völlig, in dem ganzen zweiten Jahrhundert zum großen Teil an den nötigen Arbeitskräften für den Landbau und damit ihm und seinen Städten an dem unentbehrlichen Lebensunterhalt gefehlt. Ein schlagenderer Beweis ist jedoch die urkundlich feststehende Tatsache, dass der Orden vom 13. bis zum 15. Jahrhundert immer wieder Verschreibungen an Prußen ausgestellt hat (Bände I, II bis III, 1 des Preußischen Urkundenbuches und der Urkundenbücher der vier preußischen Bistümer) und dass ein großer Teil des Landvolks noch während des ganzen 16. Jahrhunderts die altpreußische Sprache redete.

Die Hauptmasse der prußischen Bevölkerung erfuhr eine erhebliche Minderung ihrer Rechts- und Wirtschaftslage. Im 15. Jahrhundert begann mit dem allmählichen Sinken der sozialen und rechtlichen Stellung der deutschen Bauern eine gewisse Annäherung und Verschmelzung zwischen ihnen und den prußischen Bauern. Trotzdem war die altpreußische Sprache noch im 16. Jahrhundert bei der großen Masse der bäuerlichen Bevölkerung, besonders im Samland sehr verbreitet. Ins westliche Samland ist die deutsche Dorfsiedlung überhaupt nicht vorgedrungen, da dort eine geschlossene prußische Bevölkerung saß. Auch das östliche Samland (bis zur Deime) konnte erst spät und dünn mit deutschen Dorfsiedlungen durchsetzt werden.

Bei der Einführung der Reformation mussten den deutschen Predigern überall besondere Dolmetscher , die sogenannten „Tolken“, zur Seite gestellt werden, die die deutsche Predigt ins Altpreußische übersetzten, wie denn auch die Übersetzungen des Katechismus ins Altpreußische , die Herzog Albrecht 1545 und 1561 anfertigen ließ , einem dringenden Bedürfnis entsprachen. Erst im Laufe des 17. Jahrhunderts ist, nachdem die Verschmelzung zwischen Prußen und Deutschen während des 16. Jahrhunderts bei weiterer Verschlechterung der Lage der deutschen Bauern rascher stattgefunden hatte, die altpreußische Sprache erloschen. 1684 erwähnt Hartknoch, dass es hier und da noch vereinzelte Leute geben soll, die die altpreußische Sprache noch verstehen (B. Ehrlich , Die alten Preußen , in: Der Ostdeutsche Volksboden, 1926 , S. 266).

 Wenzkus führt aus: „Wie neuere Untersuchungen zeigen, war durch die verheerenden Kriege dieser Periode so viel Land wüst geworden, dass die prußischen Bauern ihren Landbesitz so weit vergrößern konnten, dass er jetzt den Umfang des deutschen Bauernlandes erreichte. Da sich nun andererseits die Lage der deutschen Bauern durch die Durchsetzung der Schollengebundenheit und größere Scharwerksleistungen rechtlich verschlechterte, glich sich die Lage beider Bevölkerungsgruppen stark an. Das war die Voraussetzung der Eindeutschung des prußischen Bauerntums, das – schon im 16. Jahrhundert auf kleine Sprachinseln beschränkt – im 17. Jahrhundert zu bestehen aufgehört hatte“.

Wer die quantitative Entwicklung der Ethnie der Prußen im Rahmen des sich bildenden Neustamms der Preußen bis 1740 darstellen will, kommt nicht umhin, das Wachstum der Prußen in gleicher Weise wie das Wachstum der verschiedenen anderen nach Ostpreußen eingewanderten und statistisch erfassten Bevölkerungsgruppen hochzurechnen, ohne das Konnubium über Bevölkerungsgrenzen hinaus zu berücksichtigen!

In einer separaten Tabelle wurde das Wachstum der Prußen von 1400 bis 1708, dem Jahr vor der Pest von 1709 – 1711, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 0,17% berechnet. Danach betrug die Anzahl der Prußen in 1708  228.743 Köpfe (s. Anlage 1, Wachstum der Prußen). Dabei wurden in 1656  6.849 Opfer durch den Tatareneinfall berücksichtigt.

Laut Grenz wurden nach den vorhandenen Berichten 13 Städte, 249 Dörfer und 37 Kirchen verbrannt und zerstört, 23.000 Menschen erschlagen und 34.000 fortgeschleppt. Die meisten dieser Unglücklichen starben an Hunger und Kälte. Während Hermanowski berichtet, dass 1656 Tatareneinfälle in den Süden des Landes stattfanden, führt Grenz aus, dass die Tataren in Ostpreußen einfielen und bis nach Tilsit hineinzogen. Auch im Hauptamt Insterburg habe der Feind furchtbar gewütet und den Ort Gumbinnen heimgesucht. Es scheint festzustehen, dass die Vorgänge auch das Kreisgebiet Gumbinnen so schwer trafen, dass es sich in den nächsten 50 Jahren nicht mehr erholen konnte.

Die jährliche Wachstumsrate der deutschen Kolonisatoren wurde für die Zeit von 1400 bis 1708 ebenfalls mit 0,17% angesetzt. Daraus resultieren in 1708  166.312 Deutsche. Dabei wurden in 1656  6.849 Opfer durch den Tatareneinfall einkalkuliert.

Auch für die geschätzten 1.300 Holländer und Schotten, die ab 1523 einwanderten, wurde eine jährliche Wachstumsrate von 0,17% angenommen.

Die 8.000 Hugenotten, die 1685 in Ostpreußen aufgenommen wurden, wuchsen nach dieser Modellrechnung ebenfalls mit einer jährlichen Wachstumsrate von 0,17%.

Der Bevölkerungsanteil der Deutschen, Holländer, Schotten, Hugenotten und laut Schumacher 500 eingewanderten Franzosen betrug somit in 1708  176.911 Köpfe.

Das masurisch/ polnische Element am preußischen Stamm lässt sich aus mehreren in der Literatur angegebenen Werten einschätzen. Laut Schumacher sprachen in Masuren von rund 400.000 Einwohnern 1870 noch rund 80% masurisch. Polnische Lexika dagegen betonen unter dem Stichwort "Mazowsze pruskie" (preußisches Masowien) , dass 1870 „noch 75 Prozent der Bevölkerung polnischer Nationalität“ gewesen seien und sich ihre Zahl nur „unter dem Druck der Germanisierung“ verringert habe (Kossert).

Schumacher informiert, dass der König 1739 verfügte, in den litauischen und masurischen Schulen auch die deutsche Sprache zu lehren, wodurch die Eindeutschung dieser fremdsprachigen Bevölkerungsteile Ostpreußens in bedeutsamer Weise vorbereitet wurde. Somit ist es zulässig, den Anteil der um 1800 polnisch sprechenden Masuren gegenüber 1870 um einige Prozentpunkte zu erhöhen. Wären es 10 Prozentpunkte, käme man in Masuren um 1800 auf 85% der Bevölkerung mit polnischer Sprache. Eine Kontrollmöglichkeit bietet Kossert durch die Veröffentlichung einer Aufstellung über den prozentualen Anteil der deutsch- und polnischsprachigen Bevölkerung in den masurischen Kreisen Johannisburg, Lötzen, Lyck, Oletzko, Sensburg, Ortelsburg, Neidenburg, Osterode im Jahre 1825 mit einem Durchschnittswert von 86,2% polnischsprachiger Bevölkerung.

Gause erwähnt, dass die ostpreußische Bevölkerung bis 1871 auf 1.823.000 Köpfe wuchs. Aus einer von mir erstellten Bevölkerungstabelle lässt sich für 1870 eine Bevölkerungszahl von 1.806.332 Personen ablesen. 75% von 400.000 Einwohnern in Masuren in 1870 sind 300.000 Einwohner, 85% führen zu einem Wert von 340.000 Köpfen. 340.000 von 1.806.332 Einwohnern sind 18,8% der ostpreußischen Bevölkerung. Wenn dieser Prozentsatz auf die Gesamtbevölkerungszahl des Jahres 1708 (= 675.836 Einwohner ) bezogen wird, lässt sich die Zahl von 127.210 polnisch Sprechenden ermitteln.

Die Bevölkerungsstruktur von Masuren in 1708:

85,0 %

Masuren

127.210

7,5 %

Deutsche (geschätzt)

  11.225

7,5 %

Prußen (geschätzt)

  11.224

 

 

149.659

Dies führt zur Bevölkerungsstruktur Ostpreußens in 1708:

228.743

Prußen

33,8 %

166.312

Deutsche

24,6 %

10.599

Holländer, Schotten, Hugenotten, Franzosen

01,6 %

142.972

Litauer (Restwert)

21,2 %

127.210

Masuren

18,8 %

675.836

 

100 %

Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Schätzung von Bevölkerungszahlen in Ostpreußen ist die Große Pest von 1709-1711. 10.834 Bauernhöfe waren durch die Pest verödet, davon entfielen auf die Ämter Insterburg, Tilsit, Ragnit und Memel allein 8.411 (=77,6%). Damit kann der Bevölkerungsverlust in Preußisch-Litauen durch die Pest auf 77,6% von 235.836 Pestopfern (Wank nennt diese Zahl), also 183.092 Einwohner , angesetzt werden. Setzt man in Preußisch-Litauen einen Bevölkerungsverlust von 80% durch die Pest voraus, hätte die dort ansässige Bevölkerung vor der Pest in 1708  228.865 Einwohner betragen (=33,9% der Gesamtbevölkerung von Ostpreußen). Terveen bietet Angaben für eine Kontrollrechnung: Laut Steuertabelle für das Königreich Preußen vom Jahre 1701 war der Anteil Preußisch-Litauens an der bäuerlichen Gesamtbevölkerung Ostpreußens sehr groß. Von insgesamt 68.504 ostpreußischen Jungen, Mägden und Bauernkindern arbeiteten 24.451 in Preußisch-Litauen (=35,7%). Die oben angegebenen 33,9% berücksichtigen, dass es in Preußisch-Litauen verhältnismäßig weniger städtische Bevölkerung als in Gesamtostpreußen gab.

Ostpreußen Geschichte Besiedelung

Abb. 2: Die Bevölkerung Ostpreußens im Jahr 1708

Die Bevölkerung des Ermlands gehört bei allen Berechnungen zu Ostpreußen, obwohl das Ermland von 1466 bis 1772 an Polen abgetreten werden musste.

Nach Hermanowski und Stamm starben jeweils rund 240.000 Bewohner Ostpreußens infolge der Großen Pest. Auf der Grundlage von rund 600.000 angegebenen Einwohnern der Provinz wäre damit die Einwohnerzahl Ostpreußens zum Ende 1711 auf 360.000 Köpfe gesunken. Da Hermanowski in seinem Lexikon für das Jahr 1713 eine Bevölkerung von 450.000 Einwoh-nern in Ostpreußen angibt, entsteht eine Differenz von 90.000 Einwohnern. Auch Dollinger und Gause machen den gleichen Kalkulationsfehler. Dollinger schreibt in seiner tabellarischen Aufstellung: „1708: Beginn der Pest-Jahre in Ostpreußen (bis 1711) , in denen von rund 600.000 Menschen etwa 250.000 sterben“. Andererseits lässt er den Leser des gleichen Werks wissen, dass die ostpreußische Bevölkerung zwischen 1713 und 1740 um 160000 Menschen auf rund 600.000 Einwohner anwuchs. Gause erwähnt furchtbare Verluste, die die Provinz , besonders ihr nördlicher Teil , durch die Pest der Jahre 1708/-10 erlitt – von etwa 600.000 Menschen starben rund 240.000 – und erwähnt in der nächsten Spalte: „Der König hatte am Ende seines arbeitsreichen Lebens die Genugtuung, dass die Bevölkerung der Provinz von 440.000 (1713) auf 600.000 Menschen gestiegen war“. Somit bringt Dollinger seine Leser mit einer Differenz von 90.000 Einwohnern zum Nachdenken, während Gause sich mit einer Differenz von 80.000 Einwohnern begnügt. Terveen gibt 241.171 Pestopfer an und schätzt die Bevölkerung Ostpreußens vor der Pest auf 600.000 Menschen. Grenz zeigt jedoch einen Ausweg aus diesem Zahlenwirrwarr auf. Er berichtet, dass von den 600.000 bis 700.000 Einwohnern in Ostpreußen die Pest 200.000 bis 250.000 dahingerafft habe. Somit ist es realistisch, bei Ansatz des Pestopferwerts von Wank in Höhe von 235.836 Personen und eines Bevölkerungsbestandes von 440.000 Einwohnern in 1713 (Dollinger, Gause und Schumacher) mit 675.836 Köpfen vor der Pest zu rechnen.

Die Ermittlung der Zahl der Opfer durch den Tatareneinfall in 1656 bedarf einer separaten Berechnung:

Die Bevölkerungszahlen Preußisch-Litauens und Masurens des Jahres 1708 werden auf 1656 mit dem Multiplikator von 0,9154659 (= -0,17% jährlich ) rückgerechnet.

1708 Preußisch-Litauen

228.865

1656 Preußisch-Litauen

209.518

1708 Masuren

149.659

1656 Masuren

137.008

1656 Preußisch-Litauen:

130.886 Litauer

39.316 Deutsche

39.316 Prußen

1656 Masuren

116.456 Masuren

10.276 Deutsche

10.276 Prußen

Annahme:

40% der Tatareneinfallopfer gehen zu Lasten der preußisch-litauischen Bevölkerung
57.000 x 0,40 = 22.800

60% der Tatareneinfallopfer gehen zu Lasten der masurischen Bevölkerung
57.000 x 0,60 = 34.200

1656 Preußisch-Litauen: 209.518 – 22.800 =186.718 (ergibt Tatarenverlustmultiplikator von 0,8911788)

130.886

Litauer

x 0,8911788 =

116.643

39.316

Deutsche

x 0,8911788 =

35.038

39.316

Prußen

x 0,8911788 =

35.037

1656 Masuren: 137.008 – 34.200 =102.808 (ergibt Tatarenverlustmultiplikator von 0,7503795)

116.456

Masuren

x 0,7503795 =

87.386

10.276

Deutsche

x 0,7503795 =

7.711

10.276

Prußen

x 0,7503795 =

7.711

Verluste durch den Tatareneinfall:

Litauer 14.243 , Deutsche 4.278 + 2.565 = 6.843, Prußen 4.279 + 2.565 = 6.844, Masuren 29.070

Nach dem Tatareneinfall wuchs die litauische und polnischsprachige Bevölkerung von 1656 bis 1708 durch Geburtenüberschuss und Zuwanderung auf die für 1708 hochgerechneten Werte.

Nun zu den Auswirkungen der Bevölkerungsverluste durch die Pest in 1709/1711:

Zahl der Pestopfer in Preußisch-Litauen

183.092

 

Zahl der Pestopfer in Masuren

44.307

 

Zahl der Pestopfer in Königsberg

8.437

(nach Terveen)

Zahl der Pestopfer in Ostpreußen

235.836

(nach Wank)

1708 Preußisch-Litauen

142.972

Litauer

x 0,2 =

28.594

 42.947

Deutsche

x 0,2=

8.590

 42.946

Prußen

x 0,2=

8.589

228.865 – 183.092

 

=

45.773

1708 Masuren

127.210

Masuren

x 0,7039469 =

89.549

  11.225

Deutsche

x 0,7039469=

7.902

  11.224

Prußen

x 0,7039469=

7.901

149.659 – 44.307

=

 

105.352

1708 Westliches Ostpreußen einschließlich Königsberg

228.743  Prußen abzgl. 42.946 Prußen in Pr.-Lit. abzgl. 11.224 Prußen in Mas. = 174.573 Prußen

176.911 Deutsche etc. abzgl. 42.947 Deutsche in Pr.-Lit. abzgl. 11.225 Deutsche in Masuren. = 122.739  Deutsche etc. abzgl. 8.437 Pestopfer = 114.302  Deutsche etc..

Da die Prußen vorwiegend auf dem Lande wohnten, werden in Königsberg keine Pestopfer bei den Prußen berücksichtigt.

Daraus ergibt sich die Bevölkerungsstruktur Ostpreußens Ende 1711:

28.594

Litauer

89.549

Masuren

130.794

Deutsche etc.

191.063

Prußen

440.000

Einwohner

Aufgrund der Angaben von Gause zur Bevölkerungsstatistik lässt sich für den Zeitraum von 1740 – 1816 eine jährliche Wachstumsrate von 0,51417% errechnen. Darin sind die Verluste durch den Siebenjährigen Krieg erfasst. Dieser Wert erhöht sich bei den folgenden Berechnungen für den Zeitraum von 1711 – 1740 auf 0,6515%. Er entspricht fast dem Wachstum der ostpreußischen Bevölkerung von 1910 – 1939 (0,6466%). Der entsprechende Wachstumsmultiplikator beträgt 1,2072215 (s. Anlage 2 Rückrechnung der Bevölkerung Ostpreußens von 1740 auf 1711). Die für 1711 ermittelte Bevölkerung Ostpreußens wächst damit bis 1740 wie folgt:

28.594

Litauer

x 1,2072215  =

34.520

 

89.549

Masuren

x 1,2072215  =

108.105

 

130.794

Deutsche etc.

x 1,2072215  =  

157.897

191.063  

Prußen  

x 1,2072215  =  

230.655

531.177

Einwohner

Zu dieser Zahl sind die Siedler hinzuzuzählen, die im Rahmen des Retablissements von 1714 bis 1740 unter Friedrich Wilhelm I. im nördlichen Ostpreußen angesiedelt wurden.

Ich habe eine diesbezügliche 1954 in Göttingen erschienene Dissertation „Gesamtstaat und Retablissement“ durchgearbeitet, die nach Schumacher auf dem Studium der Akten des ehemaligen Staatsarchivs in Königsberg (jetzt Göttingen) beruht. Der Autor Terveen ist, was die Zahlen der Siedler aus deutschen Territorialstaaten anbetrifft, jedoch wenig konkret. In den „Anmerkungen“ zu seiner Arbeit schreibt er sogar: „Es war im Rahmen vorl. Arb. nicht möglich u. nicht beabsichtigt, eine vollständige Übersicht über alle Siedlungsgruppen in Pr.-Lit. zu geben.... Bei Beurteilung d. auswärt. Siedler darf nicht unbeachtet bleiben, dass die Inländer im Gesamtbild d. Repeuplierung doch überwiegen....Der Zugang fremder Kolonisten ist, wenigstens z. T. , vor allem qualitativ bedeutend (Magdeburger, Märker !)...“.

Terveen verweist auf Beheim-Schwarzbach, Hohenzollernsche Kolonisation, und Beheim-Schwarzbach, Friedrich Wilhelms I. Kolonisationswerk in Litauen.

Es ist vielleicht der größte Fehler der Beheim-Schwarzbachschen Darstellungen, dass er die Kolonisation mit den litauisch-polnischen Elementen nicht genügend berücksichtigt. Dies ist die Meinung von Skalweit. Zudem sind die Arbeiten von Beheim-Schwarzbach sehr von dem Gedanken der „Germanisierung Litauens durch die kolonisatorische Tätigkeit eines Friedrich Wilhelm’s I.“ geprägt. Eine Kostprobe von Seite 78, Kolonisationswerk: „Wir gewinnen aus diesen genauen Aufzeichnungen ein überraschendes Resultat, nämlich: dass nur der Lithauer und der deutsche „Colonist“, aber keine eigentliche altheimische deutsche ländliche Bevölkerung in diesen Aemtern aufgeführt wird. Der Schluß liegt nahe, dass, so wie in diesen zehn Aemtern , auch die Zusammensetzung in den übrigen Aemtern mit gemischter Bevölkerung gewesen sein mag, dass also durch die Colonisationen nach den Jahren der Pest, für einige Aemter direct, für andere indirect nachweisbar, der Grund zu nachhaltiger , wachsender Germanisirung Lithauens gelegt ist. Die Aufstellung aus jenen zehn Aemtern ergiebt die Totalsumme von 2.393 Familien, davon sind 1.335 Lithauer, mithin bleiben 1.058 Colonistenfamilien;...“ Aus 44,2% Kolonistenfamilien und 55,8% litauischen Familien leitet Beheim-Schwarzbach eine Germanisierung ab!

Die aus der Literatur ermittelten Kolonisten-Ansiedlungen nach der Großen Pest:

1711

Skalweit führt aus: „In der gedruckten Literatur ist unseres Wissens jene große Ansiedlung in den ersten Jahren nach der Pest, wo sich nach einer Angabe der Regierung bis Ende des Jahres 1711 auf ausgestorbenen Erben 4.241 Wirte ansetzten , überhaupt noch nicht erwähnt. Abgesehen von 15 Schweizerfamilien erfolgte sie lediglich durch die litauisch-preußische Bevölkerung und polnischen Zuzug. Diese Ansiedlung war dem Umfang nach die größte, den Kosten nach die billigste, der Ausführung nach die leichteste“.

Nach von Skalweit angestellten Berechnungen ist in dieser Periode eine Kolonistenfamilie durchschnittlich auf 4,5 Köpfe zu veranschlagen. Demnach würden diese Familien einer Kopfzahl von 19.085 entsprechen.

Ähnliche Informationen liefert Stahl, da er berichtet, dass 1711  4.620 Höfe aus dem Überschuss der einheimischen Bevölkerung besetzt wurden. Damit war der Zugang aus dem eigenen Land erschöpft.

1712 und 1713

sind die Jahre der großen Einwanderung von Schweizern und Deutschen.

Skalweit erwähnt

921 deutsche Familien

(à 4,5 Köpfe = 4.145 Personen)

 

318 Schweizer Familien

(à 4,5 Köpfe = 1.431 Personen)

 

435 Preußen und Litauer

(à 4,5 Köpfe = 1.957 Personen)

Die 4.145 Deutschen entsprechen den „4.000 Seelen, die 1711 und 1712 nach Königsberg geschafft“ und von Skalweit, Terveen und Stahl erwähnt werden. Stahl nennt auch die Gebiete, aus denen die Siedler stammen: Pfalz, Franken, Anhalt, Braunschweig, Magdeburg, Halberstadt, Pommern, Mark Brandenburg, Grafschaft Mark. Die 4.145 Personen setze ich ab 1713 mit dem Wachstumsmultiplikator 1,1916441 in eine Zuwanderungstabelle = 4939    Personen

Skalweit gibt an, dass unter den Schweizer Einwanderern im Jahre 1712 viele waren, die sich zur Bewirtschaftung ihrer Höfe als untauglich erwiesen und wieder entfernt werden mussten.

An ihre Stelle traten Bauern auch anderer Nationalität.

Ende April 1713 trat eine Verschärfung der Ansiedlungsbedingungen ein. Da die ausgestorbenen Bauernhöfe zum größten Teil besetzt waren, sollte in Zukunft sich jeder Ansiedler aus eigenen Mitteln anbauen.

1714

siedelten sich nach Skalweit nur 21 deutsche Familien (à 4,5 Köpfe = 95 Personen) an.

Sie kommen mit dem Wachstumsmultiplikator 1,1839316 in die Zuwanderungstabelle = 112    Personen

Beheim-Schwarzbach nennt noch 8 Waldenserfamilien nahe Stallupönen (à 4,5 Köpfe x 1,1839316) = 43 Personen

1715

kamen laut Skalweit 55 reformierte Familien aus dem Nassau-Siegenschen = 248 Personen

die auch Grenz und Stahl erwähnen. Der Wachstumsmultiplikator 1,1762676 führt zu 292    Personen

Weitere 48 Personen aus Nassau-Siegen erwähnt Grenz. Mit dem Wachstumsmultiplikator 1,1762676 sind das 56 Personen

In den folgenden Jahren war laut Skalweit die Zahl der angesiedelten Bauern gering. Bis

1719

wuchs die Schweizerkolonie um einige Familien auf 380 Familien an. Die 1.710 Personen kommen ab 1719 mit dem Wachstumsmultiplikator 1,1461077 in die Zuwanderungstabelle = 1960    Personen

Darin sind auch Pfälzer und Nassauer, die in der Schweizerkolonie wohnten, enthalten.

1720

traten in die Schweizerkolonie noch pfälzische Familien ein. In der Literatur gibt es dazu verschiedene Angaben. Beheim-Schwarzbach spricht von 101 Pfälzern. Grenz führt 101 Familien auf, die ihren Wohnsitz im Kreise Gumbinnen zugewiesen bekamen (à 4,5 Köpfe = 455 Personen). Skalweit erwähnt 40 pfälzische Familien, die in die Schweizer Kolonie eintraten, womit die Höchstzahl von 420 Familien erreicht wird (40 à 4,5 Köpfe = 180 Personen) und 44 Pfälzer Familien, die mit über 200 Personen in Königsberg ankamen. Von diesen Werten nehme ich den Höchstwert von 455 Personen, die mit dem Wachstumsmultipli-kator 1,1386884 in die Zuwanderungstabelle kommen, also 518    Personen

Andererseits schließe ich 110 Schweizer Familien respektive 550 Seelen, über deren Einwanderung Beheim-Schwarzbach in 1718 und folgenden Jahren berichtet, aus. Skalweit ist der Meinung , dass die Einwanderung wohl geplant war, aber nicht erfolgte.

Auch die Ansetzung von Litauern hörte nach Skalweit nicht auf. Aber die Zunahme war so gering, dass sie durch die in diesen Jahren besonders starke Bauernflucht mindestens aufgewogen wurde.

1721 und 1722

Etwa 500 Köpfe im ganzen betrug die Zahl der 1721 und 1722 aus Deutschland nach Preußen gesandten fremden Kolonisten. Größer war wohl der Zuzug von litauischen, preußischen und polnischen Bauern (Skalweit). Somit setze ich mit dem Wachstumsmultiplikator 1,1276446  564    Personen in die Zuwanderungstabelle.

Ende 1722 wollte der König aus der Mark , Pommern und anderen Provinzen Kolonisten zwangsweise nach Ostpreußen senden.

1723

wurden etwa 2.750 Personen auf diese Weise nach Ostpreußen verschickt. Im Juni 1723 , als nahezu 500 Bauernfamilien in Ostpreußen eingetroffen waren, eigneten sich nur 101 Familien für die Ansiedlung (Skalweit). Daher habe ich 455 Personen mit dem Wachstumsmultiplikator 1,1167195 = 508    Personen in die Zuwanderungstabelle übernommen. Es musste ein Edikt erlassen werden, das die Untertanen vor zwangsweiser Versendung nach Ostpreußen zu schützen versprach.

In der Konferenz zu Ragnit sagte Löwensprung, dass auf 200 Bauernhöfe 400 Einwanderungsfamilien gerechnet werden müssten, da die Hälfte zum Ausmerzen gebraucht würde (Skalweit).

Aus der Pfalz und Nassau sollen nach Skalweit 1.464 Personen nach Ostpreußen ausgewandert sein. Mit dem Wachstumsmultiplikator 1,1167195 sind das 1.635    Personen.

Auch aus Hessen-Kassel meldeten sich Leute (geschätzt 500). Der Wachstumsmultiplikator 1,1167195 führt zu 558 Personen

Aus den polnischen Gebieten fand ebenfalls ein bedeutender Zulauf statt.

Unter den in der Niederung angesiedelten Mennoniten ließ der König im September Zwangsaushebungen zum Militärdienst vornehmen. Nach diesem Gewaltakt wanderte die 1000 Seelen starke Kolonie aus (Skalweit). Daher werden Mennoniten in dieser Arbeit bei der Zuwanderung nicht berücksichtigt.

1727

geriet das Kolonisationswerk ins Stocken. Allerdings erwähnt Skalweit noch etwa 100 Familien, die schon vorher angeworben waren. Aber in den folgenden Jahren geschah nichts.

100 Familien à 4,5 Köpfe = 450 Personen, so dass mit dem Wachstumsmultiplikator 1,088086  490    Personen in die Zuwanderungstabelle kommen.

1731

Über Desertionen liegen zahlreiche Belege vor. In einer Besprechung und im Reglement für die Bauernwirtschaft Ostpreußens vom 9. Oktober 1733 klagte Friedrich Wilhelm I. darüber, dass man infolge zunehmender Desertionen fast ein neues Etablissement vornehmen müsse, um die Bevölkerungszahl zu halten (Terveen).

1734

Die Zahl der 1732 nach Königsberg dirigierten Salzburger (= 15.508 Personen) war 1734 auf 11.989 gesunken. Dies geht nach Skalweit aus den Akten des Geh. Staatsarchivs (Gen Dir. Ostpreuß. Mat. Tit. 34 Sect. 9 Nr. 9) hervor. Beheim-Schwarzbach kommt für die gleiche Zeit auf 11.888 Salzburger. Ich beziehe 11.989 Salzburger mit dem Wachstumsmultiplikator 1,0397316 in die Zuwanderungstabelle ein = 12.465 Personen

1738

Beheim-Schwarzbach berichtet, dass 13 Schweizer Familien à 5 Personen nach Ostpreußen kamen. Dagegen spricht Skalweit von 13 Schweizer Familien, die aber nicht in der Schweizer Kolonie eintrafen, sondern in Masuren (in Staßwinnen im Amte Lötzen) angesiedelt wurden. Sie bewährten sich schlecht und liefen bis auf 4 Familien wieder davon. Somit setze ich 4 Familien à 4,5 Köpfe = 18 Personen in die Zuwanderungstabelle.

1740

gelangten 1.033 Seelen aus Lothringen und dem Nassauischen nach Ostpreußen (Skalweit) = 1033    Personen

Die Summe der Werte der Zuwanderungstabelle beträgt 25.191 Personen. Somit sind 556.368 Siedler erfasst.

Aus den 68 Schweizern des Jahres 1711 und den verschiedenen Positionen der Zuwanderungstabelle lässt sich eine Anzahl von 281 Schweizer Familien in 1740 errechnen. Diese Zahl entspricht in etwa einer Information von Skalweit, der berichtet, dass 1729 von der litauischen Deputation 282 Wirte als Nationalschweizer angegeben werden.

Aus der Zuwanderungstabelle lässt sich ableiten, dass von 1711 – 1740  12.465 Salzburger, 1.682 Nassauer, 1.335 Pfälzer, 7.201 Siedler anderer deutscher Stämme, 1.949 Schweizer, 516 Lothringer und 43 Waldenser , insgesamt 25.191 Einwanderer nach Ostpreußen kamen. Um die in der Literatur erwähnte Einwohnerzahl von 600.000 Köpfen in 1740 zu erreichen, fehlen 43.632 Siedler, die aus Litauen bzw. Masowien stammen müssten.

Auf Masowien entfallen 4.841 Siedler , um den Prozentsatz der masurisch Sprechenden (wie in 1708) auf 18,8 % erhöhen zu können.

Der für die Litauer verbleibende Restwert beträgt 38.791 Siedler. Diese Einwohnerzahl muss durch Zuwanderung bzw. eine höhere jährliche Wachstumsrate als 0,6515% erreicht worden sein.

Somit sind im Rahmen des Retablissements von 1711 – 1740 in Ostpreußen angesiedelt worden:

  25.191  Siedler aus deutschen Territorialstaaten, Salzburger, Schweizer und andere          = 36,6 %

  43.632  Siedler aus Litauen/ Preußisch-Litauen und Masowien                                               = 63,4 %

  68.823  Siedler                                                                                                                                =100,0 %

Skalweit führt aus: „Wollen wir eine Zahl über den Gesamtumfang der Ansiedlungen in Litauen am Ende der Regierung Friedrich Wilhelms I. angeben, so erscheint die Angabe zutreffend , die Schmoller im Gumbinner Regierungsarchiv gefunden hat und den Bauernbestand des Jahres 1736 bezeichnet, und zwar:

Salzburger

766 Familien

Schweizer, Nassauer und andere Deutsche

2.992 Familien

Litauer

8.075 Familien

 

11.833 Familien"

Die Zahlen passen gut zu anderen Resultaten, wenn auch zu beachten ist, dass das Jahr 1736 ziemlich früh gewählt ist, bis 1740 der Stand sich noch um einiges geändert hat und insbesondere die Zahl der auf Höfen angesiedelten Salzburger gewachsen ist. Demnach sind die Litauer mehr als doppelt so stark als die Salzburger, Schweizer und Deutschen zusammengenommen. Auch Schmoller hebt hervor, dass unter den 8.075 Litauern viele Hunderte sein müssten, die wir in unserem heutigen Sinne als Kolonisten bezeichnen würden. Unsere Untersuchung hat das bestätigt, und man wird nicht zu viel sagen, wenn man die Hälfte als neu angesetzt bezeichnet....“ Skalweit ergänzt: „Außerdem ist zu beachten, dass nur der augenblickliche Bestand angegeben wird und nicht auch die große Zahl der ausgemerzten oder entflohenen Wirte, die dermaleinst ebenfalls Kolonisten gewesen waren. Und einen wie großen Bestandteil diese ausmachten, beweist die Tatsache, dass bei Gelegenheit der Salzburger-Einwanderung von 600 angesetzten Bauernfamilien die Hälfte Höfe schlechter oder entlaufener Wirte erhielten....

Kehren wir zu der für 1740 errechneten Bevölkerungstabelle (Wachstum von 1711 – l740) zurück und zählen die Zuwanderungswerte hinzu:

Litauer

34.520

+

38.791

=

73.311

12,2%

Masuren

108.105

+

4.841

=

112.946

18,8%

Deutsche etc.

157.897

+

25.191

=

183.088

30,5%

Prußen

230.655

 

 

=

230.655

38,5%

 

 

 

 

 

600.000

100 %

Wie Skalweit zum Ausdruck bringt, ist die Hälfte der Litauer neu angesetzt.

Boockmann verweist auf „viele Emigrationen von Prußen“ während der Kämpfe gegen den Deutschen Orden . Baumann schreibt über den letzten Heerführer der Sudauer, Skurdo, und den Rest seines Stammes: „Mit der Habe, die des Mitnehmens wert war und nach Zerstörung ihrer Häuser durch Feuer, zogen die Sudauer ins Land ihrer Nachbarn, der Litauer, um einige Jahrhunderte später als „litauische“ Zuwanderer wieder in die Heimat zurückzukehren“.

Wahrscheinlich wanderten auch Nachkommen der einstmals vor den Ordensheeren geflüchteten Nadrauer und Schalauer als „litauische“ Zuwanderer ein. Wir hätten also einen guten Grund, den Anteil der Prußen im sich bildenden Neustamm der Preußen zu Lasten der Litauer zu erhöhen.

Ich beende meinen Versuch, den litauischen und masurischen Anteil am preußischen Stamm zumindest grob zu errechnen. Der Anteil der Deutschen, Holländer, Schotten, Hugenotten, Franzosen, französischen Schweizer und Salzburger in dem sich bildenden Neustamm der Preußen dürfte aufgrund der großen Zahl der ausgemerzten oder entflohenen Bauernfamilien 1740 realiter gesunken sein, das heißt zugunsten des Anteils der Litauer. Die Prußen dagegen, in einer Modellrechnung bis 1740 quantitativ dargestellt, ohne dass das Konnubium über die Bevölkerungsgrenzen hinaus berücksichtigt wurde, bilden einen wesentlichen Anteil des Neustamms der Preußen!

Harder schreibt in „Slawen und Balten in Deutschland“: „Auf slawischer ethnischer Grundlage hat das deutsche Volk im Südosten und im Osten seines Siedlungsgebiets bei dem Eintritt in die Geschichte die Neustämme der Mecklenburger , Brandenburger, Thüringer und Sachsen (Obersachsen), Pommern und Schlesier und schließlich die Preußen auf prußischer Grundlage vor allem gewonnen“. Letzteres ist durch meine Modellrechnung belegt.

Literatur:

Baumann, Karl , Die Prußen , Leer 1991

Beheim-Schwarzbach, M., Hohenzollernsche Kolonisation, Leipzig 1874

Beheim-Schwarzbach, M., Friedrich Wilhelms I. Kolonisationswerk in Litauen, vornehmlich die Salzburger Kolonie, Königsberg 1879

Boockmann, Hartmut, Deutsche Geschichte im Osten Europas, Ostpreußen u. Westpreußen, Berlin 1992

Dollinger, Hans , Preußen, Prisma Verlag 1985

Gause, Fritz , Ostpreußen , Burkhard-Verlag

Grenz, Rudolf , Stadt und Kreis Gumbinnen, Marburg 1971

Harder, Hans-Bernd, Deutsche, Slawen und Balten, Bonn , Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, 1989

Hermanowski, Georg , Ostpreußen Lexikon , Augsburg 1998

Higounet, Charles , Die dt. Ostsiedlung im Mittelalter, Berlin 1986

Kossert, Andreas , Masuren Ostpreußens vergessener Süden, Siedler Verlag , Berlin 2001

v. Krockow, Chr. Graf , Begegnung mit Ostpreußen , München 1995

Schumacher, Bruno , Geschichte Ost- und Westpreußens , Würzburg 1959

Skalweit, A, Die ostpreußische Domänenverwaltung unter Friedrich Wilhelm I. und das Retablissement Litauens , Leipzig 1906

Stahl, F, Nassauische Bauern und andere deutsche Siedler in Ostpreußen, Namenslisten aus dem 18. Jahrhundert, Königsberg (Pr.) 1936

Stamm, Hans-Ulrich , Frag mich nach Ostpreußen, Leer 1974

Territorien-Ploetz, Geschichte der deutschen Länder, Verlag Ploetz , Würzburg 1964

Terveen, Fritz , Gesamtstaat und Retablissement, Diss. Göttingen 1954

Wank, Otto, Bevölkerungsfluktuation zwischen Ostpreußen und den Nachbarländern vom 16. bis 18. Jahrhundert, Altpreußische Geschlechterkunde, Band 24, 1994

Wenskus, Reinhard, Der deutsche Orden und die nichtdeutsche Bevölkerung des Preußenlandes, in: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters, hrsg. von W. Schlesinger, Sigmaringen 1975

Anlagen

Anlage 1, Wachstum der Prußen (0,17% jährlich; Kontrollfaktor 10 Jahre: 1,017113)

1400  140000   1650  214062   1656  216255   1660  210834   1701  226039   1707  228354 

1500  165918   1651  214426   abzgl.    6849   1670  214445   1702  226423   1708  228743 

1510  168760   1652  214790   1656  209406   1680  218119   1703  226808 

1520  171651   1653  215155   1657  209762   1685  219979   1704  227194 

1523  172528   1654  215521   1658  210119   1690  221855   1705  227580 

1530  174591   1655  215888   1659  210476   1700  225655   1706  227967 

Daraus lässt sich auch das Wachstum der anderen Bevölkerungsgruppen ableiten.

1400 > 1656 ergibt den Wachstumsmultiplikator 1,5446785

103000 Deutsche x 1,5446785 = 159102 Deutsche in 1656 – 6849 Tatareneinfallopfer = 152253 Deutsche

1656 > 1708 ergibt den Wachstumsmultiplikator 1,0923421

152253 Deutsche x 1,0923421 = 166312 Deutsche in 1708

1523 > 1656 ergibt den Wachstumsmultiplikator 1,2534487

1300 Holländer und Schotten x 1,2534487 = 1629 Holländer und Schotten in 1656

1656 > 1708 ergibt den Wachstumsmultiplikator 1,0923421

1629 Holländer und Schotten x 1,0923421 = 1780 Holländer und Schotten in 1708

1685 > 1708 ergibt den Wachstumsmultiplikator 1,0398401

8000 Hugenotten x 1,0398401 = 8319 Hugenotten in 1708

500 Franzosen

Summe Holländer, Schotten, Hugenotten, Franzosen in 1708 = 10599

Summe Deutsche etc. in 1708 = 176911

Anlage 2, Rückrechnung der Bevölkerung Ostpreußens von 1740 auf 1711

1740  600000   1735  580831   1730  562275   1725  544311   1720  526922   1715  510088 

1739  596116   1734  577072   1729  558635   1724  540788   1719  523511   1714  506786 

1738  592258   1733  573336   1728  555019   1723  537288   1718  520123   1713  503506 

1737  588424   1732  569625   1727  551427   1722  533810   1717  516756   1712  500247 

1736  584615   1731  565938   1726  547858   1721  530355   1716  513411   1711  497009 

Beispiele für Wachstumsmultiplikatoren:

1711 > 1740  1,2072215

1713 > 1740  1,1916441

1723 > 1740  1,1167195

1734 > 1740  1,0397316


Copyright © 2004 Klaus-Peter Jurkat / Stand: 22. Dezember 2004